Cyber-Mobbing: Kinderrechte in der digitalen Welt

Aufgrund der pandemischen Situation ist die digitale Welt mehr zum Mittelpunkt des alltäglichen Lebens geworden. Seitdem hat eine Variante der Gewalt in digitaler Form zugenommen: Cyber-Mobbing. Warum Kinder ein Recht auf die Web-Kultur haben und was das unter anderem für Auswirkungen hat will Amadeus Schwone in diesem Gastbeitrag verdeutlichen.

Smartphone mit zerbrochenem Display auf gebrochenem Asphalt
Smartphone mit zerbrochenem Display Bild: Volker Glätsch auf Pixabay

Viele Leser:innen verbinden sicherlich mit dem November 1989 den Fall der Berliner Mauer. Jedoch gab es vor 31 Jahren im gleichen Monat noch eine weitere, sehr wichtige Errungenschaft für uns Menschen: Die Unterzeichnung der Kinderrechte der UN-Kinderrechtskonvention; zwei Jahre später traten sie in Deutschland in Kraft.

Seitdem wird darauf geachtet, die Rechte der Kinder (laut der UN-Kinderrechtskonvention eine Person unter 18 Jahren) zu verwirklichen und auch zu schützen. Dabei sollte auch vor der heute sich schnell weiterentwickelnden digitalen Welt nicht Halt gemacht werden.

Kinder und die digitale Welt

Diese Welt bestehend aus Apps, Sozialen Medien, Online-Spielen und dem Internet ist als Web-Kultur ein großer Bestandteil des Lebens geworden. Die Anzahl von Lern-Apps, Online-Foren und digitalen Nachschlagewerken wächst stetig. Und durch die Pandemie seit letztem Jahr ist diese Welt noch mehr ins Zentrum des Alltags gerückt, um so dem „Recht auf Bildung und Medienkompetenz“ nachzukommen.

Doch durch die Web-Kultur können Kinder auch von ihrem „Recht auf freie Meinungsäußerung und Beteiligung“ Gebrauch machen, was die Freiheit mit einschließt, über von dem Kind gewählte Mittel, Informationen und Gedankengut zu beschaffen und weiterzugeben.

Digitale Welt begünstigt Cyber-Mobbing

Die Schnelllebigkeit dieser Welt, gepaart mit der Möglichkeit des anonymen Agierens, hat auch eine nicht zu missachtende Kehrseite. Sie begünstigt eine enthemmende Online-Kommunikation, welche unter anderem für Belästigungen, Beleidigungen, Bloßstellen, Hetze und Verleumdungen Vorschub leistet, da mit negativen Konsequenzen für das eigene Handeln weniger zu rechnen ist als in der Realität. Die Rede ist hier von Cyber-Mobbing.

Da die Täter anonym handeln können, können die Angriffe nicht genau lokalisiert werden, wodurch die Betroffenen noch machtloser sind als bei anderen Mobbingformen.

Warum ist Cyber-Mobbing so riskant?

Kritisch am Cyber-Mobbing ist nicht nur die Anonymität, sondern auch das schnelle Aufbringen einer Masse gegen eine Person und die rasante Verbreitung von elektronischen Inhalten, welche die betroffene Person kompromittieren.

Das Publikum wird unüberschaubar, da elektronische Inhalte kaum zu kontrollieren sind. Einmal im Umlauf ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie immer wieder in die Öffentlichkeit gelangen.

Hinzu kommt der Eingriff ins Privatleben. Das Mobbing endet nicht mehr in der Realität, sondern man wird auch daheim davon verfolgt. Das eigene Heim bietet keinen Rückzugsort mehr. Dies macht Cyber-Mobbing sehr riskant. Es kann der Beginn von Mobbing in der Offline-Welt sein oder die Fortführung.

Cyber-Mobbing – ein wachsendes Problem

Aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen zum Infektionsschutz in Minimierung realer Treffen verlagert sich die Kommunikation und das Lernen noch mehr ins Netz – und damit steigt auch das Cyber-Mobbing.

Nach Angaben der JIM-Studie 2020 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, an welcher 12- bis 19-Jährige teilnahmen, gaben 29 Prozent der Befragten an, dass sie schon einmal beleidigende oder falsche Sachen über sich selbst im Netz gefunden haben – ein Anstieg von 10 Prozent seit 2018.

Und 38 Prozent haben im eigenen Umfeld mitbekommen, dass jemand im Internet absichtlich fertig gemacht wurde. Somit hat jede:r dritte Jugendliche in dieser Alterskategorie schon mal mitbekommen, dass jemand von Cyber-Mobbing betroffen ist.

Cyber-Mobbing betrifft alle Schulformen

In einer weiteren Studie von „Bündnis gegen Cybermobbing“ von 2020, in welcher neben Schüler:innen von 8 bis 21 Jahren auch Eltern und Lehrkräfte befragt wurden, stellte sich heraus, dass jede:r zehnte Grundschüler:in einmal Opfer von Cyber-Mobbing war.

Somit betrifft Cyber-Mobbing alle Schulformen – mittlerweile auch die Grundschulen.

Die Zahlen dieser Studie sind aufgrund der größeren Altersspanne wesentlich höher als in der JIM-Studie. So ist laut der Studie die Zahl der Betroffenen seit 2017 um 36 Prozent gestiegen.

Prävention durch Medienkompetenz

Aufgrund dieser Kehrseite der Web-Kultur und der Tendenz der steigenden Cybergewalt ist es wichtig, die Präventionsarbeit anzupassen und zu verbessern. Sie muss schon in den Grundschulen beginnen; Eltern sollten unterstützt und Lehrkräfte geschult werden, beziehungsweise die Lehrkräfte sollten die Möglichkeit haben, Experten von außen in die Schulen holen zu können.

Und auch die Politik kann ihrer Verantwortung nachkommen, zum Beispiel durch ein (Cyber-)Mobbinggesetz, welches in Österreich schon 2016 verabschiedet wurde. Wir alle haben die Aufgabe und die Verantwortung, das Recht auf „Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung“ zu verwirklichen, damit die Kinder gewaltfreier aufwachsen können.

 

Autor:

Amadeus Schwone

Ehrenamtlicher Referent in den Bereichen der Jugendleiterausbildung, Prävention, sexualisierter Gewalt und Kinderrechte
Seit 2018 Mitglied der SPD Stade