2021 hat sich die Verwaltung der Hansestadt Stade die Abrechnung der Abwasserentsorgung von den Stadtwerken Stade zu übernehmen. Die damals noch bestehenden Verträge zwischen Stadt Stade und Stadtwerken verlängerten sich automatisch und verstießen damit geltende Vorgaben. Das Rechnungsprüfungsamt wies darauf hin, dass die Aufgabe ausgeschrieben werden muss.
Übernahme der Abwasserentsorgung wurde 2021 über Monate vorbereitet
Das Stader Tageblatt berichtete am 3.11.2021 über diesen Vorgang:
„Seit Monaten wird bereits hinter den Kulissen die Übernahme vorbereitet. Stadtwerke und Stadtverwaltung gründeten mehrere Arbeitsgruppen. Da ging es um die Datenübertragung unter Berücksichtigung des Datenschutzes, um den Aufbau des Finanzwesens für die Abrechnungen mit einer speziellen Software, da ging es um die Organisation mit den neuen Büros, Personalkosten, IT-Einrichtungen, Möbel oder Handy-Verträgen. „Das lief sehr zielstrebig und effizient, das Team hat hervorragende Arbeit geleistet“, sagt Stadtbaurat Kolk.“
22.000 Gebührenbescheide: eine Mammutaufgabe für die Angestellten
Zum 1. Januar 2022 hat die Stader Verwaltung die Abwasserentsorgung Stade (AES) von den Stadtwerken Stade übernommen. Erst im Mai 2022 wurde bekannt, dass Softwareprobleme verantwortlich für die fehlenden Gebührenbescheide sind. Immerhin müssen rund 22.000 sogenannte Veranlagungen erfasst, geprüft und ein Gebührenbescheid erstellt werden. Eine Mammutaufgabe für die Angestellten der AES.
Zum Schutz der eigenen Angestellten und um hunderte Euro Nachzahlungen für die Stader Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden, hätte spätestens hier Bürgermeister Hartlef einschreiten und das Thema zur Chefsache erklären müssen. Hat er aber nicht, sondern, wie sich nun herausstellt, die AES und die Gebührenzahler allein gelassen.
Die Software ist schuld und Bürgermeister Hartlef schweigt
Stattdessen gab es am 7. November 2022 eine Pressemeldung der AES zum Stand der Dinge. Die Pressemeldung liest sich schon damals verheerend, denn die eingekaufte Software macht nicht ihren Job. Was für eine Software wurde für einen Verwaltungsvorgang, den es schon immer gab, denn eingekauft und zu welchen Kosten?
Aber auch hier: Kein Statement von Bürgermeister Sönke Hartlef, keine Übernahme der Verantwortung, keine Entschuldigung an die betroffenen Bürger und Bürgerinnen.
Die neuesten Informationen vom 16. Dezember 2022 bringen das Fass zum Überlaufen. Wie in der Sitzung des Betriebsausschuss am 15. Dezember 2022 bekannt wurde, fehlen noch immer fast die Hälfte aller Gebührenbescheide. Die Brisanz sorgt wohl in der Verwaltung zunehmend für Unbehagen, denn inzwischen sollen bereits fertige Bescheide für das Abrechnungsjahr 2022 erst im Januar 2023 – wohlgemerkt sollten entsprechende Bescheide VORAB, also spätestens im Dezember 2021 versandt worden sein.
Vor dem Hintergrund des Abwasser-Abrechnungsdebakels wurde auch eine Anhebung der Abwassergebühren diskutiert. Die SPD-Mitglieder im Betriebsausschuss haben der empfohlenen Gebührenänderung schlussendlich zugestimmt, da diese der kostendeckenden Arbeitsfähigkeit der AES geschuldet ist und insbesondere die Mitarbeitenden der AES nicht durch fehlende Gebühren und damit einhergehenden Sparmaßnahmen zusätzlich belastet werden sollen.
Aufklärung und Aufarbeitung sind Pflicht des Bürgermeisters
Die SPD Stade erwartet umgekehrt für die weiteren Schritte vollständige Transparenz beim Thema Abwasserentsorgung in Stade:
- Warum wurde sich für die Problem-Software entschieden und welche unerwarteten Probleme konkret waren für das Debakel ursächlich?
- Wurde eine andere Software als die bisher von den Stadtwerken Stade genutzte Software verwendet?
- Welche Kosten sind für die Implementierung der Software, die Fehlerbehebung sowie den laufenden Betrieb entstanden?
- Wie wirken sich diese Kosten auf die Abwassergebühren der Hanse-Stadt Stade aus?
- Welche Gründe sprachen gegen eine Ausschreibung der Abwassergebührenabrechnung, wenn die Infrastruktur und ausreichende Personaldecke bereits 2021 absehbar nicht zum 1. Januar 2022 arbeitsbereit waren?
Das Scheitern der Stader Verwaltung bei der Neuaufstellung der Abwassergebührenabrechnung hat viele Gesichter und auch wir als SPD werden uns selbstkritisch hinterfragen, an welchen Stellen wir der Verwaltung nicht kritisch genug auf die Finger geschaut haben.
Zu guter Letzt sollte sich aber auch Bürgermeister Hartlef ein Herz fassen und als oberster Dienstherr im Stader Rathaus Verantwortung übernehmen, sich vor seine Mitarbeitenden stellen und bei den Bürgerinnen und Bürgern entschuldigen. Die letzte Ratssitzung des Jahres am 19. Dezember 2022 wäre doch eine gute Gelegenheit dafür.
+++ Update 18.12.2022 +++
Aufgrund der bekannt gewordenen Probleme bei der Übernahme der Abrechnung des Stader Abwassers durch die Hansestadt Stade haben die Fraktionen von CDU, B90/Grüne, FDP/WG/Piraten sowie SPD diesbezüglich eine gemeinsame Erklärung verfasst, in der die Stader Verwaltung fraktionsübergreifend zur Aufarbeitung und Lösung der Probleme aufgefordert wird.
Gemeinsame Stellungnahme die Fraktionen von CDU, B90/Grüne, FDP/WG/Piraten sowie SPD
Autor: Christian Häckl